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Die unbekannte Medaillenschmiede Rothenburg

Vor dem Sprung kommt der beschwerliche Aufstieg: Emily Teubner, Lukas Richter und der Eilenburger Gastspringer Marco Hoffmann (v.l.).
(Foto: Eckehard Schulz)

Die Schanzenanlage des Ski- und Freizeitverein (SFV) Rothenburg liegt idyllisch. Oberhalb der Saale, dicht bewachsen mit Pflanzen. Wer hoch oben steht auf der 34-Meter-Schanze und ein wenig seitlich blickt, kann die träge dahinplätschernde Saale sehen. Am Eingang zur Anlage präsentiert sich der Verein in einem Glaskasten, erinnert an seine Erfolge. Ein Bild von Andreas Wank ist darin zu sehen, der seine Karriere hier in Rothenburg begann.

Andreas Wank ist nicht irgendjemand. Er ist Mannschafts-Olympiasieger im Skispringen. 2014 in Sotschi holte er Gold. Und auf gewisse Weise symbolisiert er diesen scheinbar unvereinbaren Gegensatz perfekt. Die vermeintliche Skisprung-Provinz im nördlichen Saalekreis - und der große Glamour von Olympia. Wer die Anlage in Rothenburg besucht, dem fällt schwer zu glauben, dass hier große Karriere beginnen können. Doch genau in diesem scheinbaren Widerspruch hat der SFV seine Nische gefunden.

Ausbildung von Nachwuchstalenten

„Der Anspruch des Vereins ist die Ausbildung von Nachwuchstalenten“, erklärt SFV-Cheftrainer Christian Wendt. Er pflegt engen Kontakt zu den Leistungszentren und spricht Empfehlungen für Förderungen aus. „Vier Springer aus Rothenburg“, erzählt er nicht ohne Stolz, „besuchen derzeit eine Sportschule. Josephin Laue, die nun am Sportgymnasium in Klingenthal trainiert, wurde in diesem Jahr Zweite bei den deutschen Jugend-Meisterschaften.“ Laue ist 15 Jahre alt, eine Sportlerin, die dem großen Beispiel von Andreas Wank nachzufolgen versucht. Und sie ist nicht einmal ein Einzelfall. Emily Teubner trainiert erst seit Oktober des vergangenen Jahres im Verein. Doch die Neunjährige wurde bereits im Februar Landesmeisterin. Und vielleicht noch viel wertvoller: Sie erhielt einen Ritterschlag von Skisprung-Legende Jens Weißflog, der das Mädchen im vergangenen Jahr für ihre ersten Sprungversuche in Sohland in der Oberlausitz lobte. Die Nachwuchsspringerin ist ein Paradebeispiel dafür, wie Skispringen in Rothenburg funktioniert. Denn in ihrem Sog hat sich auch Andreas Teubner wieder auf die Schanze begeben. Der 44-jährige Hallenser startete früher für den SC Sohland, hatte die Skier längst an den Nagel gehängt. „Emilys neu entdeckte sportliche Leidenschaft hat mich auf die Skisprungschanzen zurückgeführt“, sagt er.

Einzugsgebiet reicht bis nach Leipzig

Skispringen in Rothenburg hat etwas Familiäres. Aktuell zählt der Verein 45 Mitglieder, bis nach Leipzig reicht das Einzugsgebiet. Über 1 000 Euro kostet eine Ausrüstung aus Ski mit Bindung, Anzug, Helm und Schuhe. Doch für den Nachwuchs stellt der Verein alles gratis zur Verfügung. Lediglich 36 Euro Mitgliedsbeitrag sind jährlich zu entrichten. Dass der Verein so nicht finanziert werden kann, bestätigt auch Wendt. Also ist privates Engagement gefragt. Die Mitglieder packen an, private Spenden, Sponsoren und Mittel der Stadt Rothenburg sowie des Skiverbands helfen. Bei der Pflege das Vereinsgeländes hilft ein geringfügig Beschäftigter der Stadt. Die Flutlichtanlage wurde von einer regionalen Elektronik-Firma für 18 000 Euro gebaut. Vielleicht auch wegen des privaten Engagements hat sich die Anlage den Charme vergangener Tage erhalten. Moderne Messtechnik oder Videotafeln gibt es hier nicht. An Wettkampftagen, an denen bis zu 1 000 Zuschauer nach Rothenburg kommen, überwachen Weitenrichter die Landungszone - ganz wie in alten Zeiten.

Mut gehört zum Skispringen. Das Ambiente zieht. Aber wie lernt man nun eigentlich das Skispringen?

Es ist Freitagnachmittag. An der Schanze üben junge Sportler wie Emily, Lukas oder Lea Sophie. Den Mut, eine Schanze überhaupt hinunterzuspringen, sagt Christian Wendt, haben alle gemeinsam. „Ohne diese Eigenschaften hat es keinen Zweck.“ Für den Nachwuchs geht es Schritt für Schritt. Es beginnt auf der Sieben-Meter-Schanze. „Die Anfänger fahren erst einmal nur den Abhang herunter, ohne vom Schanzentisch abzuspringen“, erzählt Wendt. „Das wird entsprechend dem Alter ausgerichtet.“ Die mittlere Schanze mit einer Größe von 15 Metern wird in der Regel bis zum Alter von elf Jahren genutzt. Dann folgen schon Schanzen bis zu 50 Metern. Genau hier, so muss Wendt einräumen, stößt der SFV an seine Grenzen. Die mächtigste Schanze ist hier 34 Meter groß. Diese Angabe meint den sogenannten kritischen Punkt, ab dem das Gefälle des Aufsprunghangs wieder flacher wird. Früher oder später also müssen die Sportler den Weg in Orte mit großen Schanzen antreten. Das ist das Schicksal eines Ausbildungsvereins.

Analyse nach jedem Durchgang

Um auf die Anlage in Rothenburg zu gelangen, ist Ausdauer nötig. Die kleinen Springer laufen seitlich einen kleinen Weg hoch. Beschwerlich ist der steile Anstieg. Und der Sprung von der Schanze wirkt am Ende fast wie eine Belohnung für die Strapazen des Aufstiegs. Den Luxus eines Lifts gibt es nicht. Nach jedem Durchgang bespricht Christian Wendt, was gut oder schlecht an den Bewegungen war. Und Selbstkritik beherrschen die Nachwuchsspringer bestens: „Ich hatte keine Körperspannung“, weiß Lukas Richter um seinen verpatzten Sprung.

Dreimal Training in der Woche

Dreimal in der Woche trainieren die Skispringer. Eine Einheit findet in einer Turnhalle im Ort statt. „Zeitintensiv ist der Sport schon“, räumt Wendt ein. „Jährlich finden an den Wochenenden zudem 35 Wettkämpfe statt.“ Für Eltern ist das eine irre logistische Herausforderung. Also wird die Anfahrt zum Trainingsort über eine Whats-App-Gruppe organisiert. Da helfen sich die Eltern gegenseitig, sagt Wendt: „Notfalls hole ich auch mal jemanden ab.“ Die Suche nach jungen Talenten rechtfertigt solchen Aufwand. Erst recht, wenn irgendwann tatsächlich einer von hier ganz oben in der Sportart steht. Andreas Wank besucht jedes Jahr seinen Heimatverein. Auch für den Mai, wenn das Mattenspringen zur Baumblüte ansteht, hat er sich angesagt. „Andreas“, sagt Christian Wendt, „weiß, wo er herkommt.“